oder: Wie man herausfindet, was der Wald erzählt, verschweigt und über uns weiß

Ein Recherche-, Vermittlungs- und Filmprojekt im und mit den Wäldern in Hessen.

Wer oder was lenkte die Bewegungen dieser Bäume, Äste oder was immer da an seiner Hutnummer Kragenweite Schuhgröße interessiert war. Konnte dieser Wald, der keinem der Wälder glich, die er gekannt, »durchschritten« hatte, überhaupt noch ein Wald genannt werden. Vielleicht war er selber schon zu lange unterwegs, eine Erdzeit zu lange, und Wälder überhaupt waren nur mehr was dieser Wald war.

– Heiner Müller “Herakles 2 oder Die Hydra

In der auf drei Jahre angelegten FLUX Künstler*innenresidenz wollen wir uns dem Ort widmen, welcher fast die Hälfte Hessens ausmacht: dem Wald – und den Menschen um ihn herum. 

Der Wald ist seit jeher Träger von unterschiedlichsten Geschichten, Schauplatz für Riten, Märchen und Magie: so erscheint der Wald beispielsweise in Shakespeares Sommernachtstraum als Ort verwirrenden Rollentauschs, in Henry Thoreaus Bericht über sein Leben in den Wäldern wird er zum Ort des romantischen Rückzugs, als alternativer Lebensentwurf abseits der industrialisierten Massengesellschaft und wo trifft Rotkäppchen auf den bösen Wolf? Na klar, im Wald.

Auch war der Wald schon immer Folie und Symbol der Politik. Der deutsche Wald als Motiv der Nationalisten, als Ziel der Wandervögel im frühen 20. Jahrhundert und Dreh- und Angelpunkt der ersten und tagesaktuellen Umweltschutzbewegung.

Im Zeitalter des Anthropozäns wird der Wald zu einem Indikator für den menschlichen Einfluss und sein Zusammenleben auf und mit seinem Umfeld. Der Mensch nutzt den Wald, zur Abholzung, zur Erholung und vieles mehr. Für die moderne Holzwirtschaft sind Deutschlands Wälder vor allem Plantagen, wissenschaftliche Studien belegen die positiven gesundheitlichen Effekte auf den Menschen wie etwa die Senkung des Blutdrucks durch den Wald und das sog. “Waldbaden” hat sich in den letzten Jahren zu einem Wellnesstrend entwickelt.

Für den medial bekannten Förster und Buchautor, Peter Wohlleben, stellt der Wald ein soziales, lebendiges Netzwerk da, in dem Gemeinschaft und Solidarität herrschen – kurz: das ‚woodwideweb’. Als solches ist es fähig über unterirdische Geflechte – die Rhizome –  zu kommunizieren, Nachrichten auszutauschen und zu helfen, wenn Gefahr in Verzug ist. Fern ab von Urwäldern erscheint der deutsche Wald heutzutage als Buch in dessen Seiten sich der Mensch mit fester und oft einschneidender Schrift eingeschrieben hat. 

Der hessische Waldzustandsbericht von 2020 sieht im Wald durch Trockenheit, Dürre und übermäßigen Insektenbefall vor allem eins: Die Gefahr, dass er verschwindet!

|Vorhaben

Bevor die Wälder sich gänzlich verändern oder gar verschwinden, plant M O N S T R A mit AUS DEM WALD RUFEN eine mobile Vernetzungs-Residenz und will sich an verschiedenen hessischen, ländlich geprägten Orten niederlassen, Expert*innen des Waldes aufsuchen, mit Menschen vor Ort sprechen und folgenden Fragen nachgehen: 

Was vermag uns der Wald über uns selbst zu erzählen? Inwiefern sind die Bewohner*innen des ländlichen Raums bewusst oder unbewusst mit ihren Wäldern verknüpft? Ist der Wald überhaupt ein Thema für die ländliche Bevölkerung? Und vor allem: Was ‚kann‘ der Wald, wenn wir ihn als ein gestalterisches Lebewesen ansehen? Können wir womöglich von ihm als gut vernetztes und verflochtenes Künstler*innen Kollektiv lernen?

Gemäß des Bildes eines Rhizoms, verfolgen wir die weitverzweigten Spuren des Waldes in das kulturelle Leben des Umlandes und andersherum die Spuren aus der Kulturlandschaft zurück in den Wald. Wie sehen diese Wechselbeziehungen aus? Wenn Mensch und Wald miteinander sprechen könnten: Was haben sie sich zu sagen? Was geben und nehmen sie einander? 

Am Ende der drei Jahre soll unsere gemeinsame vermittelnde künstlerische und forschende Arbeit mit Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und Expert*innen an diversen Orten in einen Documentary-Fiction-Film münden. Dafür arbeiten wir über den gesamten Zeitraum mit einem professionellen Filmteam zusammen. Der Film soll an allen Drehorten wiederum gezeigt werden und einen Anstoß für Diskussionen und (künstlerischen) Wissensaustausch bieten und die Beteiligten miteinander vernetzen. 

TEAM:

Konzept, Regie & Künstlerische Leitung: M O N S T R A / Kamera: Stephan Dorn / Trickfilm: Maren Wiese / Schnitt: Kim Willems / Assistenz: Eva Streit

gefördert & unterstützt durch FLUX Künstlerresidenzen & das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst

Termine werden hier bald bekanntgegeben.